A-Z der Tiergesundheit:
von Tierärztin Dr. Jessica Buschhaus
Bei einer Allergie handelt es sich um eine spezifische Änderung der Immunitätslage im Sinne einer krankmachenden Überempfindlichkeit. Meistens richtet sie sich gegen von außen dem Körper zugefügte Stoffe (Allergene). Am häufigsten manifestiert sich ein Krankheitsbild an der Haut, durch Juckreiz oder Hautveränderungen (Rötungen, Pusteln oder Ohrenentzündungen), aber auch tränende Augen, Nasenausfluß, Magendarm – oder Lungenprobleme (Asthma) können auftreten. Es werden mehrere Allergietypen anhand der Überempfindlichkeitsreaktion unterschieden. Je nach Allergietyp kann z.b. eine Sofortreaktion (Anaphylaxis) auftreten oder eine zytotoxische Reaktion, eine Immunkomplexreaktion oder eine zelluläre Überempfindlichkeit auftreten. Eine weitere Form Allergien einzuteilen ist anhand der möglichen Auslöser, entsprechend kann auch die Behandlungsstrategie variieren.
Allergien können vererbt werden, es wird ein dominanter Vererbungsweg vermutet. Allerdings entwickeln nicht alle Tiere eine klinische Symptomatik, auch wenn sie hohe Antikörperspiegel aufweisen. Daher sollten Tiere mit bekannter Allergie nicht in der Zucht verwendet werden. Häufig fallen die Symptome erstmals bei Tieren zwischen einem und drei Jahren auf, aber es gibt auch Fälle mit Auftreten von Allergien bei Tieren zwischen 3 Monaten und 12 Jahren. Eine Heilung für das betroffene Tier ist nicht möglich, es werden stets nur Auslöser und Symptome bekämpft.
Symptome:
Das wichtigste und häufigste Symptom, das zur Diagnose Allergie führt, ist Juckreiz. Meist wird der an Körper, Beinen und den Pfoten beobachtet, kann aber z.B. bei Flohspeichel-Allergie auch im Rücken oder Kruppenbereich auftreten. Als mögliche Komplikation können sogenannte Sekundär Infektionen vorhanden sein. Diese werden durch Bakterien oder Pilze auf der Haut oder aus der Umwelt verursacht, die an den verletzten Hautstellen guten Nährboden finden. Bei länger bestehendem Juckreiz, also chronischen Problemen kann es zu einer Pigmentierung (dunkel Färbung der Haut) oder zu Verdickung der betroffenen Stellen kommen, als Reaktion der Haut auf die Traumatisierung durchs Kratzen, Lecken oder Knabbern. Je nach Auslöser können die Probleme dauerhaft oder saisonal beobachtet werden. Auch chronische oder rezidivierende Ohrentzündungen können ein Hinweis auf ein allergisches Geschehen sein.
Diagnostik:
Genaue Angaben des Besitzers bezüglich des Beginns der Symptomatik, Dauer und auch Ort des Juckreizes können erste Hinweise in Richtung Allergie geben. Z.B. kann ein saisonales Auftreten im Frühjahr und Sommer auf eine mögliche Gräser-Empfindlichkeit hinweisen. Flöhe oder Flohkot legen eine Überempfindlichkeit gegenüber deren Speichel nahe; das sollte zunächst ausgeschlossen werden.
Um zu einer Diagnose bezüglich einer Überempfindlichkeit gegenüber Milben und Schimmelpilzen, Gräsern sowie Kräutern oder Bäumen zukommen, empfiehlt es sich einen sogenannten Screening-Test durchzuführen, dazu wird eine Blutprobe entnommen und im Labor untersucht. Anhand des Ergebnisses lässt sich nur ein positiver oder negativer Antikörpertiter nachweisen, hier ist keine Aussage bezüglich der Stärke zu treffen. Für eine genaue Aussage, welche Gräser, Kräuter oder Bäume für das Tier ein Problem sind, ist eine weitere Differenzierung notwendig. Diese ist sinnvoll und notwendig, sollte man sich für eine spezifische Immuntherapie (Desensibilisierung) entscheiden.
Zum Ausschluss eines Sarkoptesbefalls kann es sich als sinnvoll erweisen, im gleichen Zuge den Antikörpertiter für Sarkoptesmilben anzufordern, da diese eine häufig vorkommende Differentialdiagnose darstellen.
Natürlich können auch andere Umweltstoffe oder auch andere Haustiere bei Ihrem Tier Allergien auslösen. Hier muss im Einzelfall geschaut werden, ob eine Antikörperbestimmung möglich ist.
Therapie:
1. Allergenvermeidung, die strikte Meidung der auslösenden Stoffe wäre die ideale Option, ist allerdings praktisch nicht immer umsetzbar.
a. Flohspeichel: strenges antiparasitäres Behandlungsprogramm.
b. Milben:
i. Futtermittelmilben: Wechsel auf ein getreidefreies Futtermittel; ein Einfrieren des Futtermittels ist nicht erfolgsversprechend, da die Milben zwar tot, aber immer noch vorhanden sind und damit als Allergen fungieren.
ii. Hausstaubmilben: besonders hohe Konzentrationen finden sich in Textilien, hier sind Teppiche, Hundebetten, Sofas etc. zu nennen. Idealerweise werden Teppiche entfernt, als Schlafplätze eignen sich spezielle „Antimilben“-Hundebetten oder Milbenüberzüge für menschliches Bettzeug. Staubsauger mit speziellen Allergiefiltern und ggf. Umweltsprays sowie Klimaanlagen mit Luftfiltern und Luftentfeuchter können helfen die Belastung durch Allergene zu reduzieren.
iii. Milben auf dem Tier (z.b.Sarkoptes/Herbstgrasmilben): hier empfiehlt es sich zu Beginn der Therapie ein AntimilbenSpotOn-Präparat zu verwenden. Wir empfehlen Initial, eine dreimalige Behandlung im Abstand von 14 Tagen. Im weiteren Verlauf der Therapie sollte prophylaktisch im Frühjahr (März/April) und im Herbst (September/Oktober) die SpotOn-Behandlung wiederholt werden, um den Herbstgrasmilben vorzubeugen. Tiere, die im selben Haushalt leben sollten ebenfalls behandelt werden, da diese als Reservoir dienen können. Als Alternative zur SpotOn-Behandlung kann auch ab März ein spezielles, länger wirksames Halsband (Scalibor ® oder Seresto®) verwendet werden. Dieses hat den Vorteil, dass auch gleichzeitig Zecken bekämpft werden.
(Bei positivem Sarkoptes-Antikörpertiter kann eine intensivere Therapie mit oralen Medikamenten über einen mehrwöchigen Zeitraum notwendig sein.)
c. Gräser/Kräuter/Bäume: Ein Vermeiden dieser Allergene ist im Alltag i.d.R. nicht möglich. Dennoch sollte versucht werden durch Auswahl der Spazierwege den Allergenkontakt so gering wie möglich zu halten. Ebenfalls hilfreich kann es sein, nach den Spaziergängen den Hund abzuwaschen, ggf. mit hautberuhigenden Shampoos. Ein weiterer Versuch kann es sein mit Hilfe von Ganzkörperanzügen den direkten Kontakt so gering wie möglich zu halten.
2. Spezifische Immuntherapie wird auch als Desensibilisierung oder Hyposensibilisierung bezeichnet. Hierbei handelt es sich um einen Therapieversuch, bei welchem dem betroffenen Tier Extrakte des Allergens in langsam ansteigender Dosierung injiziert werden. Die Behandlung ist i.d.R. lebenslang notwendig und entsprechend kostenintensiv. Häufig führt sie zu einer Reduktion der Symptome, nicht aber zum völligen Verschwinden.
3. Kortikosteroide (Kortison): führen zu einer Entzündungshemmung, dadurch auch zur Linderung des Juckreizes. Mögliche Nebenwirkungen können sein: vermehrte Wasseraufnahme & Urinabsatz, Fellveränderungen und –verlust, Appetitsteigerung, Adipositas, immunsuppressive Wirkungen, Verzögerung der Wundheilung, Bauchspeicheldrüsenentzündung, Magendarmulzerationen, Begünstigung von sekundären Infektionen, Cushing Syndrom. Die Anwendung kann lokal oder systemisch erfolgen und richtet sich nach dem Ausmaß und der Verteilungshäufigkeit des Juckreizes. Bei Systemischer Gabe ist zu beachten, dass das Medikament nicht abrupt abgesetzt werden darf, sondern langsam ausgeschlichen werden muss, da es sonst aufgrund des plötzlichen Kortisonmangels zu Komplikationen kommen kann. Häufig ist es möglich durch Kombination verschiedener Behandlungsstrategien die Kortisongaben zu reduzieren.
4. Cyclosporin (Atopica®) ist ein abwehrhemmendes Medikament (Immunsuppressivum), welches häufig in der Transplantationsmedizin verwendet wird. Der Hauptnachteil besteht in den sehr hohen Kosten des Medikamentes; als Nebenwirkungen kann es zu Magendarmproblemen, Gewichtsverlust, Zahnfleischwucherungen und Fellveränderungen kommen.
5. Antihistaminika hemmen den Juckreiz, einige Präparate wirken nur auf die Histaminrezeptoren im Magendarmtrakt und haben keinen Einfluss auf den Juckreiz. Ihr Einsatz führt bei ca. 30% zu einem feststellbaren Erfolg. Als Nebenwirkung wurde ein beruhigender Effekt beschrieben.
6. Antiinfektiöse Substanzen (Antibiotika und Antimykotika) bekämpfen bakterielle Sekundärinfektionen oder Pilzbefall, die häufig als Komplikation auftreten. Physiologische Haut- oder Umgebungskeime nutzen nämlich die zerstörte Hautbarriere als Eintrittspforte und gutes Nährmedium um darin zu wachsen. Mit Lokalen oder häufig auch als Injektion oder Tablette verabreichten Antibiotika, bzw. Antipilzmitteln werden diese Infektionen als erstes bekämpft.
7. Medikamente zur äußeren Anwendung: Sprays & SpotOn-Präparate oder Shampoos dienen zur Reinigung der Haut, als Feuchtigkeitsspender oder können auch helfen den Juckreiz zu reduzieren.
8. Essenzielle Fettsäuren (Omega-6 und Omega-3-Fettsäuren):liefern zum einen die notwendigen Stoffe zur Wiederherstellung der durch die Erkrankung beeinträchtigten Barrierefunktion. Zum anderen bekämpft man die Entzündungsreaktionen der Haut, indem Entzündungsstoffe in Substanzen umgewandelt werden, die den gegenteiligen Effekt haben. Bevor ein positiver Effekt beobachtet werden kann, ist eine mehrwöchige Gabe (3 bis 6 Monate) von Nöten. Mögliche Nebenwirkungen wie Durchfall oder eine Bauchspeicheldrüsenentzündung sind sehr selten.
Häufig kann mit Hilfe einer Kombination mehrerer Behandlungsparameter die Dosierung und Dauer der Gabe von nebenwirkungsreicheren Medikamenten wie Kortison und Cyclosporin reduziert werden. Da aber wie bereits oben erwähnt die Heilung einer Allergie nicht möglich ist, ist eine lebenslange Behandlung notwendig.
Quellen:
- Roche, Lexikon Medizin, Urban & Fischer Verlag
- Silbernagel & Despopoulos, Taschenatlas der Physiologie, Thieme Verlag
- Waltham® Focus Sonderausgabe, Die Herausforderung: Canine atopische Dermatitis
- www.laboklin.de/de/service/rat_tat/rt_hund_allergie.htm
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