A-Z der Tiergesundheit:
von Nicolai Richel
Epilepsie, was ist das überhaupt?
Epilepsie bedeutet übersetzt „Fallsucht“ und ist eine chronische Erkrankung des Gehirns. Im Körper werden Reize durch Sinneswahrnehmungen über kleine elektrische Impulse in den Nervenbahnen zum Gehirn weitergeleitet und diese dann auf gleiche Weise vom Gehirn als zentralem Schaltsystem beantwortet. Dies geschieht in der Regel durch eine vom Gehirn ausgehende Erregung oder Hemmung des Zielorganes, z.B. die Anspannung oder Erschlaffung eines Muskels.
Quelle: Veterinärmedizinische Universität Wien www.vetmeduni.ac.at
In einem an Epilepsie erkrankten Gehirn kommt es dann bei diesem Prozess gelegentlich zu Ausfallserscheinungen, d.h. das Gehirn reagiert auf unterschiedlichste Reize mit einer Vielzahl elektrischer Impulse (vorstellbar wie Blitze bei einem Gewitter) an die Muskulatur und Zielorgane. Diese Signale sind für den Körper nicht eindeutig zu beantworten und führen zu den unten genannten Symptomen oder sogar zur kurzzeitigen „Abschaltung“ des Gehirns, welches zur Bewusstlosigkeit führt. Bei lang andauernden oder sich oft wiederholenden Anfällen entstehen sogar lebendbedrohliche Situationen für das Tier.
Welche Gründe gibt es für epileptische Erkrankungen?
Die Gründe und Ursachen für epileptische Anfälle sind genauso vielfältig wie ihr Erscheinungsbild. Bis zu 5 % aller Hunde und nur 0,5 % aller Katzen sind Epileptiker. Dieses kann durch Ursachen im Gehirn, wie z.B. Tumore, Missbildungen, Verletzungen durch Unfälle, Entzündungen, Sauerstoffmangelversorgung und unterschiedlichste Infektionen entstehen, aber auch Ursachen außerhalb des Gehirns, wie Mineralstoffmangel, Vergiftungen, Lebererkrankungen und Parasiten können epileptische Anfälle auslösen.
Bei Hunden, wie z.B. dem Berner Sennenhund, Retrievern und dem deutschen Schäferhund sind genetische Vererbungen bekannt, jedoch kann diese Krankheit alle Hunde- und Katzenrassen betreffen.
Wie erkenne ich bei meinem Tier einen epileptischen Anfall?
Epileptische Anfälle können entweder nur im Gehirn stattfinden oder den ganzen Körper betreffen. Demnach sind sie oft auch für erfahrene Tierhalter nur schwierig zu erkennen und zu deuten. Bei Anfällen nur im Gehirn zeigt das betroffene Tier oft nur ein Muskelzucken, meist im Gesicht oder in einzelnen Muskelgruppen des Körpers, auch das sogenannte Kieferschlagen, das wie abnormale Kaubewegungen aussieht und vermehrtes Kopfschütteln wurden beobachtet. Schreiten diese Anfälle fort, erweitern sich die Pupillen des Patienten, häufiges Bellen/Miauen, nach „Fliegen“ schnappen, vermehrtes Belecken und sogar Aggressionen gegenüber Artgenossen und des Herrchens sind denkbar.
Welche Rolle spiele ich als Tierhalter?
Als Tierhalter spielen sie neben dem Tierarzt die wohl wichtigste Rolle in der Behandlung ihres Tieres. Nur durch das Zusammenspiel von Tierarzt und Tierhalter lässt sich eine angemessene Behandlung der Epilepsie erreichen. Dieses erfordert allerdings eine regelmäßige Verabreichung und Dosierung der vom Tierarzt verschriebenen Medikamente, sowie eine genaue Dokumentation des Tierhalters über eventuelle Veränderungen des Tieres oder sogar zurückkehrende Anfälle. Falls möglich, so sollten sogar bereits vor der ersten Vorstellung des Patienten beim Tierarzt, Videoaufnahmen der möglichen epileptischen Anfälle gemacht werden, um den Tierarzt die genaue Diagnose zu erleichtern und um mögliche auslösende Erkrankungen auszuschließen oder genauer zu untersuchen. Ebenfalls hilfreich ist das Führen eines Tagebuches über Häufigkeit, Uhrzeit, Dauer und äußerem Erscheinungsbildes der Epileptischen Krämpfe, dies hilft dem Arzt die Schwere der Erkrankung einzuschätzen und die benötigte Dosierung bei Therapiebeginn genauer festzulegen.
Niemals sollten sie als Tierhalter, ohne Rücksprache mit ihrem Tierarzt, selbstständig die verschrieben Dosierung erhöhen, vermindern oder gar absetzen, da dies zum einen die Berechnung der Dauertherapie für den Arzt unmöglich macht und ebenfalls zu schweren Entzugskrämpfen ihres Tieres führen kann. Ihnen sollte immer klar sein, dass die Einstellung ihres Tieres auf die Medikamente hauptsächlich von ihnen abhängt, da die Gabe der Tabletten nicht nur regelmäßig, sondern auch zur selben Tageszeit stattfinden sollte. Außerdem benötigt jeder Patient eine individuelle Therapie, die nicht allgemein berechenbar ist, sondern nur durch ihre sorgfältige Dokumentation und genaue Information an den behandelnden Tierarzt und seiner Anpassung der Dosierung jemals zu anhaltendem Erfolg führt.
Beim Hund dehnen sich die Anfälle meist über den ganzen Körper aus. Die Tiere spüren den bevorstehenden Anfall oft schon Stunden bevor und reagieren mit Angst vor diesem ungewohnten Gefühl. Sie suchen die Nähe ihres Herrchens oder ziehen sich zurück und verstecken sich unter Tischen oder in ihrem Körbchen. Bei Eintritt des eigentlichen Anfalls fallen die Tiere spontan bewusstlos um und fangen an zu krampfen. Dieses kann sich in sogenannten Streck- oder Kaukrämpfen, sowie hilflosen Ruderbewegungen und Zuckungen einer oder aller Gliedmaßen äußern. Währenddessen speicheln die Tiere meist stark und setzen Kot und Urin ab. Diese Anfälle sollten nur einige Minuten andauern und die Tiere erlangen danach rasch ihr Bewusstsein zurück. Während Katzen nach dem Anfall meist schnell wieder aufstehen und sich scheinbar völlig normal verhalten, brauchen Hunde oft Stunden der Erholung, bei der sie abwesend und verstört wirken. Auch eine vorübergehende Blindheit wurde mehrfach beim Hund beobachtet.
Versuche, einen krampfenden Patienten festzuhalten oder gar hochzuheben, um ihn zu beruhigen, sollten unterlassen werden, da die Reaktionen des Tieres während des epileptischen Anfalles nicht einschätzbar sind und eher zur Verletzung des Patienten oder gar des Helfenden führen, als das sie irgendeinen Nutzen hätten. Auch Griffe in oder an das Maul, auch wenn ihr Tier sich die Zunge im Krampf blutig beißt sind tunlichst zu vermeiden.
Entfernen sie lieber spitze oder scharfkantige Gegenstände aus der Umgebung der/des Krampfenden, um Verletzungen dadurch zu verhindern und beobachten sie oder besser filmen sie wenn möglich den Krampfanfall.
Sollten diese Anfälle länger als eine halbe Stunde andauern oder mehrere Anfälle hintereinander stattfinden, ohne, dass ihr Tier zwischendurch das Bewusstsein wieder erlangt, liegt eine lebensbedrohliche Notfallsituation vor und ein schnellstmögliches Eingreifen ihres Tierarztes ist erforderlich. Für solche Fälle ist unsere Tierklinik 24 Stunden am Tag für sie erreichbar und es ist immer ein diensthabender Tierarzt vor Ort.
Ist Epilepsie therapierbar?
Glücklicherweise gibt es seit einigen Jahren Medikamente auf dem Markt, die extra zur Therapie der Epilepsie bei Hund und Katze hergestellt, zugelassen und vielfach erprobt wurden, jedoch bleibt beim Mensch, wie beim Tier nur die Aussage, dass Epilepsie sehr wohl therapierbar, jedoch nicht vollkommen heilbar ist. Lediglich eine Unterdrückung der Anfälle und somit die Erreichung eines möglichst symptomfreien Lebens für Mensch und Tier sind die Ziele einer solchen Therapie.
In der Regel wird durch medikamentöse Behandlung je nach Stärke und Häufigkeit der Anfälle eines Patienten in bis zu 40 % der Fälle eine völlige Symptomfreiheit und in weiteren 40 % eine deutliche Minderung in Anzahl und Stärke der Anfälle erreicht. Leider bleiben dennoch 20 % aller Epilepsien resistent gegenüber allen dem Tier zumutbaren Therapien.
Zur Behandlung der Epilepsie wird ein Medikament verwendet, welches auch in wesentlich höheren Dosen zur Einleitung von Narkosen für operative Eingriffe genutzt werden kann. Ziel dieser Therapie ist es, auf Dauer einen gleichbleibenden Wirkstoffspiegel dieses Medikamentes im Blut des Patienten zu erreichen, um durch eine möglichst geringe Sedierung (Beruhigung) des Tieres mögliche Anfälle zu verhindern.
Dieser Blutspiegel ist aufgrund einer geringen Haltbarkeit des Medikamentes im Körper und unterschiedlichster Reaktionen des Organismus leider relativ schwierig zu realisieren und erfordert neben einem erfahrenen Tierarzt, auch einen verlässlichen und gewissenhaften Tierhalter, da die Verabreichungen der Tabletten zeitlich gebunden sind, um schnellstmöglich einen möglichst konstanten Blutwirkungsspiegel zu erreichen.
Gerade am Beginn der Therapie sind die Hunde oft eingetrübt und wirken apathisch oder weisen einen unsicheren Gang auf, welches jedoch eine leider völlig normale Begleiterscheinung des Therapiebeginns ist und keinen Anlass zur größeren Sorge geben sollte.
Erst nach ca. 2 Wochen regelmäßiger Einnahme hat das Medikament einen ständigen Blutspiegel erreicht und das Verhalten ihres Tieres normalisiert sich. Dennoch sollten die Blutwerte ihres Tieres in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden, um einen anhaltenden Therapieerfolg nicht zu gefährden.
Sollte gemeinsam mit dem Tierarzt eine andauernde Anfallsfreiheit erreicht werden, so steht bei lebenslanger, gewissenhafter Therapie einem glücklichen Hunde-, bzw. Katzenleben nichts im Wege.
Lesen Sie hier, wie wir Ihr Tier medizinisch versorgen und betreuen können.
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