A-Z der Tiergesundheit:
von Tierärztin Dr. Jessica Buschhaus
Alle Jahre wieder…. Hilfe ! Es knallt….!
Jedes Jahr das gleiche Spiel, mit dem ersten Knaller sitzt unser Dobermädchen am Silvesterabend bellend und zitternd unterm Esstisch; das ist sonst nicht gerade ihr Lieblingsort, aber an diesem Tag geht es nun mal nicht anders. Man merkt ihr an, dass es ihr damit nicht gut geht und dass sie das alles ziemlich unheimlich findet. Jeder Böller wird lautstark kommentiert und irgendwie ist an Beruhigung nicht zu denken!
Was passiert hier?
Tja, die Hundedame leidet an einer Geräuschphobie! Und an Silvester, wo alle Welt knallt, ist es nun mal
besonders schlimm…
Im Gegensatz zum Menschen haben Hunde ein erheblich feineres Gehör und sind daher in der Lage wesentlich mehr Frequenzen zu hören, als wir das tun. Daher können Geräusche, die für uns bereits unangenehm sind, für Hunde sehr grauenvoll sein. Schon die immense Lautstärke kann ein Problem sein, hinzu kommen noch bunte Lichtblitze und ein schwefeliger Geruch, der für die ebenfalls sehr empfindlichen Nasen außerordentlich unangenehm sein muss. Wenn man sich dann noch vorstellt, dass die Hunde keine Ahnung haben, warum plötzlich all diese Eindrücke auf sie niederprasseln, ist es durchaus nachvollziehbar, dass diese Situationen sehr!! beängstigend sein können.
Aufgrund eines gehäuften Auftretens von Geräuschempfindlichkeit bei einigen Rassen und Linien vermutet man hier auch eine vererbbare Prädisposition für diese Problematik. Manchmal ist diese Angst schon beim Welpen zu erkennen, sie kann aber auch erst später und sehr plötzlich auftreten.
Meistens ist die Angst vor bestimmten Geräuschen aber eher das Resultat einer mangelhaften Sozialisierung und Umweltgewöhnung oder eine Lernerfahrung, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Die Reaktionen auf diesen Schreckensreiz sind nicht bei allen Hunden gleich. Der eine Hund erstarrt vor Furcht, der nächste flieht in kopfloser Panik.
Anhand des Ausdrucksverhaltens lässt sich hier bereits der emotionale Zustand des Hundes erkennen: eine geduckte Körperhaltung, der Kopf eher gesenkt, die Ohren sind nach hinten angelegt, die Augen weit aufgerissen, das Gesicht scheint etwas nach hinten gezogen, der Schwanz ist eng an den Körper gepresst, ggf. zwischen den Beinen durch an den Bauch geklemmt. Die Bewegungen sind eventuell langsam und gehemmt (wie in Zeitlupe), die Hunde bewegen sich teilweise auch gar nicht oder aber sie wandern umher, sind hektisch und führen unkontrollierte Bewegungen aus.
Körperlich reagieren die Tiere mit einer erhöhten Herz- und Atemfrequenz, weitgestellten Pupillen und sie hecheln. Einige beginnen zu speicheln, wobei es auch zu verstärktem Nasenausfluss & Tränenfluss kommen kann. Einige Hunde reagieren mit emotional bedingtem Harn- und/oder Kotabsatz, sie können auch spontan ihre Analbeutel entleeren. Wieder andere erbrechen sich, vokalisieren (bellen, jaulen) oder belecken und beknabbern sich selber.
ACHTUNG: Je nach Strategie des Hundes mit Angstsituationen umzugehen, können auch aggressive Verhaltensweisen auftreten!
Tipps für Hundebesitzer an Silvester:
1. Führen Sie Ihren Hund in der Zeit um den Jahreswechsel bitte nur angeleint aus (auch im Garten angeleint). Auch Hunde, die sonst eher unerschrocken sind, können sich erschrecken und dann panisch weglaufen. Die Knallerei geht ja meistens bereits vor dem 31.12. los und zieht sich auch meist in die erste Januarwoche hinein. Begehen Sie Ihre letzte Gassi-Runde des alten Jahres relativ früh am Abend. Bei sehr empfindlichen Tieren lassen sie diese sich ausnahmsweise wenn möglich mal nur im Garten lösen.
Naturschutzgebiete bieten sich in dieser Zeit gut zum Spazierengehen an, da hier i. d. R. nicht geknallt werden darf. Fahren Sie im Zweifelsfall mit Ihrem Hund in solche Bereiche.
2. Am Silvesterabend schließen Sie Ihre Fenster & Türen, dunkeln Sie diese ggf. auch noch ab (Ihr Hund muss nicht die bunten Raketen bewundern!). Bei einigen Tieren hat es sich bewährt diesen eine abgehangene Kennelbox oder einen Kellerraum ohne Fenster anzubieten.
3. Stellen Sie den Fernseher oder das Radio bereits einige Zeit vor Mitternacht laut an, so werden die Geräusche von draußen etwas übertönt und dringen nicht allzu prägnant nach drinnen.
4. Sollte Ihr Tier dennoch gestresst reagieren, bleiben Sie selber ruhig! Reagieren Sie wie immer, der Versuch Ihren Hund zu beruhigen, wirkt bestärkend auf das in diesem Moment gezeigte, panische Verhalten. Somit können Sie dadurch die Angst noch zusätzlich fördern! Solange Ihr Hund nicht sich oder andere in Gefahr bringt, ignorieren Sie ihn, wenn er unruhig wird. Als ruhiger Pol dürfen Sie natürlich Zuflucht gewähren.
5. Verhält sich Ihr Hund relativ ruhig oder wird es sein erster Jahreswechsel ist es eine gute Lösung bereits einige Zeit (ca 15 min.) vor Mitternacht für Ablenkung zu sorgen. Hierzu dienen etwa lang haltbare Kauknochen oder ein sorgfältig mit Futter gestopfter Kong®. Auch hier gilt, nehmen Sie Ihren Hund NICHT mit nach draußen, zum Betrachten der Raketen! Lassen Sie ihn möglichst abgeschirmt drinnen.
6. Planen Sie Ihr erstes Silvester mit Ihrem Welpen? Dann ist es sinnvoll, langfristig in kleinen Schritten Ihren Welpen an lauten Knaller und komischen Gerüche zu gewöhnen (z.B. mit entsprechenden CDs und Wunderkerzen), indem es zeitgleich immer etwas Gutes gibt.
7. Wenn Sie einen Hund haben, der bereits unter einer Geräuschphobie leidet, kann ebenfalls eine strukturierte Desensibilisierung und Gegenkonditionierung helfen! Bei den Hunden, die unter einer angeborenen Geräuschempfindlichkeit leiden, kann zumindest meist eine Besserung der Symptome erreicht werden, wenn auch eine vollständige Heilung unwahrscheinlich ist. In einigen Fällen kann auch ein Training zum Tragen von Ohrenstöpseln helfen, auch dies ist ein langfristigerer Ansatz, der einige Wochen regelmäßigen Trainings benötigt, bevor ein Einsatz möglich ist!
8. Einsatz von Medikamenten:
Neben Pheromonpärparaten (Adaptil®) und Ernährungsergänzungsmitteln (Calm®Futter, Zylkene®) können auch Bachblüten-Mischungen Ihrem Hund den Jahreswechsel erleichtern. In besonders schwerwiegenden Fällen könnte allerdings ggf. auch auf Psychopharmaka zurückgegriffen werden, um Ihrem Hund den Stress und das damit verbundene Leiden zu mindern! Falls Sie Interesse haben, sprechen Sie uns bitte an, damit wir Ihnen die entsprechenden Medikamente ggf. bestellen und Sie rechtzeitig mit der Verabreichung beginnen können!
Lesen Sie hier, wie wir Ihr Tier medizinisch versorgen und betreuen können.
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